Misa Criolla: Hochstimmung wie im Fußballstadion

Artikel von Tanja Kaufmann

Neue Presse Coburg, vom 13.06.2010

Besinnlichkeit und Lebensfreude verband das lateinamerikanische Konzert unter Antoinetta Bafas’ Leitung in der Coburger St. Morizkirche.

Lateinamerikanischer Jubel

Konzert Mit ihrem “Großen lateinamerikanischen Konzert” brachten der Chor “Unerhört”, die Gruppe Indoamerica Perumante und der Theater- und Konzertkinderchor unter Leitung von Antoinetta Bafas die zahlreichen Zuhörer in der Coburger Morizkirche zum Jubeln. Höhepunkt war die “Misa Criolla” von Ariel Ramirez.

Alejandro Conza und die peruanische Gruppe Indoamerica Perumante begleiteten den Chor, verzauberten jedoch auch mit drei Instrumentalstücken. Fotos: Albert Höchstädter

Coburg – Ganz Coburg ist im Fußballfieber. Ganz Coburg? Von wegen! In der Morizkirche füllten sich am Freitag zum großen lateinamerikanischen Konzert die Ränge, noch während das WM-Eröffnungsspiel im Gange war: Hunderte waren gekommen, um Mexiko nicht spielen zu sehen, sondern vor allem zu hören. Der Theater- und Konzertkinderchor Coburg begann das umwerfende Programm, das Farben, Rhythmus und gelebte Lebensfreude in den sakralen Raum trug. Den 137. Psalm “An den Flüssen von Babylon”, hierzulande bestens bekannt in der Version von Boney M., swingten die 40 jungen SängerInnen gekonnt; mehrstimmig beeindruckte “Guantanamera” und das mexikanische “La Bamba” faszinierte schon ob seiner tadellosen Aussprache. Vor allem “The Sloop John B” ließ bei geschlossenen Augen keinen “Kinderchor” vermuten, der hier rhythmisch perfekt und beachtlich gut aufeinander eingestimmt eine ausgewachsene Leistung ablieferte.

Der Chor “Unerhört” sang das Publikum sogleich schwindelig: “La cucaracha” begann mit einem derart reinen Eingangston, dass man beileibe keine Küchenschabe vermutete; mit ausgefeilter Intonation, perfekten Wechseln in Tempo und Stimmlagen wurde sie dennoch gejagt und am Ende mit energischem Klatschen glatt erschlagen. Das Klatschen steckte an, tosender Applaus folgte schon dem ersten Stück. Ebenfalls aus Mexiko gefiel “Cielito Lindo” mit seinem Chorus von Ohrwurm-Format, das Schunkeln und taktvolle Wippen erreichte die Kirchenbänke, “Más que nada” mit tollen Soli und tragendem Background nutzte klangvoll die Fülle des Kirchenraumes.

Begleitet wurde der Chor unter der fachkundigen Leitung der mit Herz und Seele agierenden Antoinetta Bafas von der lateinamerikanischen Folkloregruppe “Indoamerica Perumanta”, die in Instrumentalstücken mit Panflöten und Schlagwerk, Charango, Blasinstrumenten, Gitarre, Bass und Klavier ein lateinamerikanisches Feuerwerk zündete und selbiges mit Seele und Melancholie auch zu besänftigen wusste.

Ruhiger und stimmungsvoller war ebenso der Auftritt des Kleinen Chorensembles, sechs Frauen und sechs Männer, das eine schier sakrale “Manhâ de Carnaval” zu Gehör brachte, in “Quien sera” eine melodiöse La Ola ins Publikum schwappen ließ, das sich mit rauschendem Beifall revanchierte, und es in “Perfidia” überraschte.

Höhepunkt aber war die Misa Criolla von Ariel Ramirez, die in ihrer Symbiose aus gottergebener Pietät und weltlichem Glaubensfundament südamerikanischer Folklore zutiefst berührte. Ein ergreifendes Kyrie der beiden Solisten Milen Bozhkov und Andreas Engel wurde getragen von einem einmütigen Chor und sanfter Instrumentalbegleitung. Überwältigend gelang das Gloria, im carnavalito den Rhythmus der Freude ausdrückend. Ein Folklorethema Zentralargentiniens als Basis des Credos holte das Glaubensbekenntnis volksnah aus geistigen Sphären und tönte mit der Panflöte bis tief in die Seele. Nach dem außergewöhnlichen Sanctus und dessen Folklorerhythmen der carnaval cochabambino folgte ein sehnsuchtsvolles Agnus dei. Im typischen Stil der Pampas erbat es Frieden, scheinbar allein, doch niemals gottverlassen.

Eine Stimmung wie im Fußballstadion herrschte im Kirchenraum: Ihre grenzenlose Begeisterung trugen die Zuhörer in warmen Beifallsstürmen den fantastischen Akteuren zu, denen ihrerseits stets volle Hingabe anzumerken gewesen war – Standing Ovations an diesem Abend für Lateinamerika.

Von fröhlichen Weltschlagern, über anspruchsvolle jazzige A-cappella-Chorstücke zur davon tragenden Erhabenheit der Misa Criolla: Wieder ist es der Chorleiterin Antoinetta Bafas gelungen, für ein besonderes musikalisches Erlebnis in der Vestestadt zu sorgen. Ihr “Großes lateinamerikanisches Konzert” am Freitag in der vollen Morizkirche mit dem Chor “Unerhört”, dem Theater- und Konzertkinderchor und der peruanischen Gruppe Indoamerica Perumanta endete in fulminantem, langandauerndem Jubel.

Es waren nicht nur der Wohlklang der großen Chöre und die hervorragende Band, die fern des herkömmlichen Indio-Geschrammels der Fußgängerzonen mit drei wundervoll versonnenen, sich erst allmählich in den Jubel der Flöten steigernden, dabei sehr differenziert und klar ausgebreiteten Instrumentalstücken verzauberten. Das gesamte Programm war, wie von der Chorleiterin aus ihren früheren Projekten ja gewohnt, so klug und wohltuend konzipiert, das ihre hingerissenen Zuhörer auf eine emotionale Reise gingen, deren Wirkung bei vielen noch lange nachhallen dürfte.