Wie aus Begeisterung Gesang wird

Titel: “Coburger Chor “Unerhört”: Wie aus Begeisterung Gesang wird”
Autor: Jochen Berger
Coburg, Dienstag, 05. April 2016

Dieser Artikel erschien auf infranken.de

Was war Ihre Vorstellung bei der Gründung vor zehn Jahren?
Die Idee war es, einen Chor in Coburg zu gründen, der ganz bewusst außerhalb der bereits vorhandenen Chortradition modernere Literatur singt.

Wie haben Sie es geschafft, diese Idee in die Tat umzusetzen?
Meiner Skepsis, ob für einen solchen Chor in Coburg überhaupt Platz sei, begegneten einige Enthusiasten, indem sie Zettel ausgelegt und Rund-Mails geschrieben haben. Das Ergebnis war, dass bereits bei der ersten Probe 35 Interessenten kamen. Wir hatten ganz am Anfang die Schwierigkeit, dass viele davon noch im Leben weder im Chor gesungen oder ein Instrument in der Hand gehabt hatten noch große Musikkenntnisse mitbrachten. Aber sie besaßen unglaublichen Enthusiasmus.

Wie hat sich der Chor entwickelt?
Der Anfang war mühsam. Aber Schritt für Schritt sind wir voran gekommen. Es kamen immer mehr Menschen mit unterschiedlichen Kenntnissen. Alle hatten das Ziel, gut werden zu wollen. Heute beträgt die Zahl der Sänger rund 70 und in den letzten fünf, sechs Jahren musste ich leider fast ebenso viele Menschen abweisen, denn sonst würde der Chor einfach zu groß. Den Namen “Unerhört” hat sich der Chor ganz selbständig in demokratischer Abstimmung gegeben und als Programm definiert, mit dem alles denkbar war.

Seit der Gründung des Chores sind Sie mit einer Vielzahl von Konzerten und Auftritten hervorgetreten. Woran erinnern Sie sich besonders?
Angefangen haben wir mit fränkischen Volksliedern zu Weihnachten, mit denen wir zweimal beim Kulturaustausch Salzburg sowie in Prag und Coburg aufgetreten sind. Das erste eigene Konzert fand zwei Jahre nach der Gründung statt und stand unter dem Motto “Songs for Friends”. Dazu kamen viele, viele “Friends” in den überfüllten Saal von St. Augustin. Der erste große Höhepunkt war das Musical “Oliver” mit fünf ausverkauften Vorstellungen im Kongresshaus. Das war eine logistische und künstlerische Meisterleistung.

Wie ging es dann weiter?
Das große lateinamerikanische Konzert in der Morizkirche 2010 war ebenfalls ausverkauft. Wir haben auch ein eigenes Programm zu den Coburger “Johann Strauss-Musiktagen” gemacht. 2012 folgten die “Carmina Burana” mit Musikern der Brünner Philharmonie in Coburg und als Gastspiel in Karlsbad sowie im gleichen Jahr nochmals gemeinsam mit den Bamberger Symphonikern und weiteren Chören aus Franken. Als weitere ungewöhnliche Projekte folgten Auftritte mit dem Musikverein Rödental beim Festival Lokalklang und ein Open-Air-Konzert mit dem Orchester der “Gesellschaft der Musikfreunde Neustadt”.

In welchen Bereichen ist der Chor außerdem aktiv?
Eine wichtige Facette unseres Wirkens in Coburg hat sich durch die Zusammenarbeit mit dem Landestheater Coburg ergeben. Wir haben bereits drei gemeinsame Produktionen gestaltet mit etwa 30 Vorstellungen pro Spielzeit, die zuverlässig jeden Theaterabend vom Chor besetzt werden: “Blues Brothers”, “Kohlhiesels Töchter” und aktuell “Wie im Himmel”.

Gibt es ein Wunsch-Projekt?
Ein Wunschprojekt von mir ist es, etwas aus meinem eigenen Musikkulturkreis, darunter verstehe ich die gesamte slawische Chorliteratur, mit dem Chor zu realisieren. Ich weiß allerdings nicht, ob die Sprachproblematik nicht zu groß ist. Auf der anderen Seite, das Multikulturelle war immer ein Thema, wir haben bereits in mehreren Sprachen gesungen – Spanisch, Italienisch, Griechisch, Afrikans, Schwedisch, Russisch und sogar Dialekt. Also warum nicht?

Nach den ersten zehn Jahren: Wo sehen Sie den Chor “Unerhört” im Jahr 2026?
Solange der Chor weiterhin in der Lage ist, die “unerhörte” Linie zu fahren, sehe ich ihn auch in zehn Jahre sehr gut stehend, dazu gehört es, den Geist, die Kreativität und das Engagement von allen Mitgliedern weiterhin zu bündeln. Das wird die nächste Aufgabe werden.